Als meine Tante im Krankenhaus lag, nur noch 40 kg wog, machtlos allem gegenüber war, nichts essen konnte, den Kontakt zur Außenwelt abbrach und selbst ihre Familie nicht mehr erkannte, im Kopf den Suizid-Plan, kam ich das erste Mal mit der Erkrankung „Depression“ in Kontakt.
Wollte man mehr darüber wissen, stieß man schnell auf Schranken und Mauern. Die Erkrankung genießt die gleiche gesellschaftliche Akzeptanz wie ein großflächiger eitriger Ausschlag – alle finden es schlimm aber keiner will damit etwas zu tun haben.
Dabei ist Kontakt, Sorge und Fürsorge sehr wichtig für die Betroffenen. Diese verstecken und kaschieren die Erkrankung so gut, dass nur nahe Vertraute und Angehörige überhaupt die Chance haben, diese zu erkennen, Hilfe anzubieten und versuchen zu helfen.
Meine Tante lebt, nicht zuletzt deshalb, weil ihre kraftlosen Arme und Hände nicht mehr in der Lage waren, das auszuführen, was das Hirn geplant hatte. Und auch wegen der ambitionierten Psychiater, der Krankenschwester, die manchmal 100x am Tage versuchte, sie zu überreden, wenigstens einen kleinen Löffel Nahrung zu sich zu nehmen und nicht zuletzt auch wegen der (grausam klingenden) Elektroschocktherapie. Meine Tante war nach zwei Jahren fast wieder die Alte, über einem Jahr ihres Lebens liegt ein Schleier.
Damit dies kein Schleier des Vergessens ist, sondern diese Erkrankung endlich gesellschaftliche Akzeptanz findet, wollte ich hier kurz über diese doch sehr persönliche familiäre Erfahrung berichten.
Ich hoffe sehr, dass diese mutige, besonnene und starke Frau Teresa Enke in der gestrigen Pressekonferenz dazu beigetragen hat, dass die Erkrankung Depression mehr gesellschaftliche Akzeptanz findet, denn dann war der Tod von Robert Enke zwar immernoch sinnlos aber nicht umsonst.
Immerhin hat sich der am „Burn-Out-Syndrom“ leidende Sven Hannawald gemeldet und über seine Depression berichtet, das ist ein Anfang.
Die unterschiedliche, unzutreffende gesellschaftliche Wertung von psychischen Erkrankungen wie
- Burn-Out-Syndrom = der Arme hat soviel gearbeitet und ist jetzt krank und verdient Schonung und Mitleid
- Depression = der ist nicht ganz richtig, soll sich zusammenreißen
- Selbstmord bei Jugendlichen = denen geht’s doch zu gut, die nehmen sicher Drogen
sollte nun wirklich endlich aufhören.